1. Genussrechte kurz erklärt: Was steckt dahinter und für wen lohnt es sich?
Genussrechte gehören zu den weniger bekannten Finanzierungsformen in Deutschland. Sie bewegen sich zwischen Eigen- und Fremdkapital, lassen sich flexibel gestalten und sind deshalb für Unternehmen ebenso spannend wie für Anleger. Für Gründer, Mittelständler oder Projektierer können sie Kapital bringen, ohne dass Anteile abgegeben werden müssen. Anleger wiederum erhalten Zugang zu Projekten, die sonst nicht investierbar wären, und können attraktive Renditen erzielen. Gleichzeitig bergen Genussrechte Risiken, die verstanden werden müssen – von der Abhängigkeit der Rückzahlung bis zum möglichen Totalverlust.
Auch die Regulierung spielt eine Rolle: In vielen Fällen ist ein Vermögensanlagen-Informationsblatt, kurz VIB, Pflicht, bevor Genussrechte öffentlich angeboten werden dürfen.
Dieser Artikel liefert einen Überblick über Chancen, Risiken und Einsatzmöglichkeiten und zeigt, wann ein VIB notwendig wird.
2. Was sind Genussrechte? Definition, rechtliche Einordnung & Vertragslogik
Genussrechte sind vertragliche Beteiligungen, die zwischen Eigen- und Fremdkapital liegen. Anleger erhalten wirtschaftliche Ansprüche, wie etwa Gewinnbeteiligungen oder feste Zinsen, ohne Mitspracherechte im Unternehmen. Dadurch behalten Gründer und Gesellschafter die volle Kontrolle, während Investoren die Chance haben, am Unternehmenserfolg teilzuhaben.
Genussrechte rechtlich einordnen: schuldrechtliche Ansprüche zwischen Eigen- und Fremdkapital
Rechtlich handelt es sich bei Genussrechten um schuldrechtliche Ansprüche. Der Vertrag zwischen Unternehmen und Anleger legt genau fest, wie die Beteiligung ausgestaltet ist: Laufzeit, Renditeform, Rückzahlung und Informationsrechte. Historisch haben vor allem Banken und Versicherungen Genussrechte genutzt, um Eigenkapital zu stärken. Heute sind sie auch für Mittelständler, Start-ups und Projektierer interessant, weil sie sich individuell anpassen lassen.
So funktionieren Genussrechte: Renditemodelle, Laufzeiten, Rückzahlung, Informationsrechte
Genussrechte sind durch flexible Verträge anpassbar, müssen aber sorgfältig ausgestaltet werden.
Übliche Bestandteile sind:
- Gewinnbeteiligung oder Zinsen: Auszahlung abhängig vom Unternehmenserfolg oder fest vereinbart.
- Laufzeit: Befristet oder unbefristet, je nach Bedarf.
- Rückzahlung: Teilweise nur bei Gewinnen oder zum Nennwert nach Ende der Laufzeit.
- Informationsrechte: Anleger haben meist kein Mitspracherecht, erhalten aber oft regelmäßige Berichte.
Arten von Genussrechten: kapitalmarktorientiert vs. individuell verhandelt
- Kapitalmarktorientierte Genussrechte: Standardisierte Formen, die an viele Anleger ausgegeben werden und damit oft regulatorische Anforderungen auslösen.
- Individuell vereinbarte Genussrechte: Direkt zwischen Unternehmen und einzelnen Investoren ausgehandelt, besonders flexibel, aber auch komplexer.
Genussrechte funktionieren also immer so, wie es die Parteien im Vertrag festlegen. Genau diese Freiheit macht sie attraktiv, aber auch erklärungsbedürftig.
3. Vorteile und Risiken für Unternehmen und Anleger
Ob Genussrechte tatsächlich passen, hängt von den Erwartungen beider Seiten ab. Ein Abgleich der Vorteile und der möglichen Nachteile zeigt, worauf es ankommt.
Vorteile für Unternehmen
- Kapital ohne Stimmrechtsabgabe: Mit Genussrechten lässt sich Kapital sichern, ohne die Beteiligungsstruktur zu verändern. Das ist besonders für Gründer wichtig, die ihre Unabhängigkeit behalten wollen.
- Flexible Ausgestaltung: Konditionen lassen sich an die jeweilige Situation anpassen. Ob feste Verzinsung, Gewinnbeteiligung oder eine Kombination – fast alles ist möglich.
- Rechtsrahmen nutzen: Da Genussrechte einem klaren Rechtsrahmen folgen, können Unternehmen mit einem VIB zügig Kapital einwerben und gleichzeitig die BaFin-Anforderungen erfüllen.
- Geringere Kosten im Vergleich zu klassischen Beteiligungen: Vertragsgestaltung und Abwicklung sind meist günstiger als eine Kapitalerhöhung oder ein aufwendiger Börsengang.
Vorteile für Anleger
- Attraktive Renditechancen: Genussrechte können eine höhere Rendite bieten als klassische Sparanlagen.
- Zugang zu Projekten außerhalb der Börse: Anleger beteiligen sich an realen Unternehmen und Projekten, die sonst nicht zugänglich wären.
- Diversifikation: Genussrechte eröffnen neue Anlageklassen und verringern die Abhängigkeit von traditionellen Märkten.
- Persönlicher Bezug: Gerade bei regionalen Projekten können Anleger direkt nachvollziehen, wohin ihr Geld fließt.
Genussrechte schaffen eine Win-win-Situation: Unternehmen gewinnen Kapital und Investoren erhalten die Chance auf überdurchschnittliche Erträge.
Risiken für Anleger
- Totalverlustrisiko: Da Genussrechte oft nachrangig sind, verlieren Anleger im Insolvenzfall möglicherweise ihr gesamtes Kapital.
- Keine Mitspracherechte: Anders als Aktionäre haben Investoren keine Stimmrechte und keinen Einfluss auf Unternehmensentscheidungen.
- Abhängigkeit von Gewinnen: Die Auszahlung hängt in vielen Fällen direkt vom Unternehmenserfolg ab. Bleibt der Gewinn aus, gehen auch die Zahlungen an Anleger leer aus.
- Intransparenz: Wenn Verträge unklar formuliert sind, besteht das Risiko, wichtige Details zu übersehen oder falsch zu interpretieren.
Risiken für Unternehmen
- Reputationsrisiko: Missverständnisse oder enttäuschte Anleger können das Vertrauen in das Unternehmen nachhaltig schädigen.
- Regulatorische Anforderungen: Ab einer bestimmten Größenordnung gelten strenge Vorgaben, etwa die Pflicht zur Erstellung eines VIB. Fehler oder Versäumnisse können zu rechtlichen Konsequenzen führen.
- Vertragskonflikte: Individuell ausgehandelte Bedingungen können zu Streit führen, wenn Erwartungen auseinandergehen.
Genussrechte sind flexibel einsetzbar, setzen jedoch eine klare Kenntnis der rechtlichen Vorgaben voraus. Unternehmen wie Anleger sollten Verträge sorgfältig prüfen und sich der möglichen Nachteile bewusst sein, bevor sie sich für dieses Instrument entscheiden.
4. Genussrechte im Vergleich: Nachrangdarlehen, Aktien & Crowdinvesting
Um den Nutzen von Genussrechten einschätzen zu können, hilft der Vergleich mit anderen gängigen Finanzierungsformen.
Nachrangdarlehen
Bei Nachrangdarlehen stellen Investoren Kapital zur Verfügung, das im Insolvenzfall nachrangig bedient wird. Sie ähneln Genussrechten durch ihr Risiko, sind jedoch stärker standardisiert und oft weniger flexibel in der Ausgestaltung.
Aktien
Aktien verschaffen Mitspracherechte und einen Anteil am Unternehmen. Genussrechte bieten hingegen rein wirtschaftliche Teilhabe ohne Einflussmöglichkeiten. Für Gründer ist das ein Vorteil, weil keine Stimmrechte abgegeben werden müssen. Für Anleger bedeutet es weniger Schutzrechte, aber oft bessere Renditechancen.
Crowdinvesting
Beim Crowdinvesting bündeln sich viele Kleinanleger über Plattformen. Die Beteiligungsformen variieren, häufig werden Nachrangdarlehen oder Genussrechte genutzt. Vorteil: große Reichweite und Marketingeffekt. Nachteil: höhere regulatorische Anforderungen, insbesondere bei öffentlichen Angeboten.
Im Vergleich
Genussrechte punkten mit Flexibilität und individueller Gestaltung, während andere Instrumente oft nachvollziehbare Regeln und Schutzmechanismen bieten. Welche Lösung am besten passt, hängt von der Unternehmenssituation und den Erwartungen der Anleger ab.
5. VIB-Pflicht bei Genussrechten: Wann BaFin-Vorgaben greifen und was ins VIB gehört
Genussrechte gelten in vielen Fällen als Vermögensanlagen im Sinne des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG). Sobald sie öffentlich angeboten werden, greifen klare Vorgaben der BaFin.
BaFin-Vorgaben
Ein Angebot von Genussrechten ist in der Regel prospektpflichtig. Um den Aufwand für kleinere Emissionen zu reduzieren, hat der Gesetzgeber das Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) eingeführt. Dieses Dokument fasst die wichtigsten Informationen zu Chancen, Risiken und Bedingungen für Anleger auf maximal drei Seiten zusammen.
Pflicht zur Erstellung eines VIB
Ein VIB ist notwendig, wenn ein Unternehmen Genussrechte öffentlich anbietet und bestimmte Schwellenwerte überschreitet, etwa eine bestimmte Zahl von Anlegern oder ein festgelegtes Emissionsvolumen. Ohne dieses Dokument darf kein öffentliches Angebot erfolgen. Für Unternehmen bedeutet das: Sie müssen die Inhalte sorgfältig aufbereiten und bei der BaFin einreichen.
Mit digitalen Lösungen wie dem Broadside VIB Generator lässt sich dieser Prozess heute deutlich schneller und günstiger umsetzen als bisher ganz klassisch in der Zusammenarbeit mit spezialisierten Kanzleien.
6. Praxisbeispiele und typische Einsatzmöglichkeiten
Genussrechte sind vielseitig einsetzbar. Sie eignen sich immer dann, wenn Unternehmen Kapital benötigen, aber flexibel bleiben möchten.
KMU und Mittelstand
Ein Handwerksbetrieb, der neue Maschinen finanzieren will, kann Genussrechte an Stammkunden ausgeben. So wird die Finanzierung gestemmt, ohne dass Bankkredite oder Gesellschafteranteile notwendig sind. Auch Immobilienentwickler nutzen Genussrechte, um Bauprojekte schneller zu realisieren.
Start-ups
Für Gründer ist der Erhalt von Stimmrechten entscheidend. Genussrechte ermöglichen Investoren eine Beteiligung am Erfolg, ohne Anteile abzugeben. Ein Software-Start-up könnte beispielsweise Kapital für die Markteinführung aufnehmen und Investoren am Umsatz beteiligen.
Projektfinanzierungen
Ob Photovoltaikanlagen, Kulturveranstaltungen oder nachhaltige Infrastrukturprojekte – Genussrechte bieten eine Möglichkeit, Unterstützer direkt einzubinden. Anleger sehen, wohin ihr Geld fließt, und Unternehmen profitieren von einer langfristigen Bindung.
In der Praxis
Genussrechte sind kein Massenprodukt, sondern eine Lösung für gezielte Situationen. Sie eröffnen sowohl klassischen Unternehmen als auch innovativen Projekten den Zugang zu Kapital, wenn andere Finanzierungswege zu starr oder zu teuer sind.
7. Fazit: Für wen sind Genussrechte die passende Finanzierungslösung?
Genussrechte sind ein flexibles Finanzierungsinstrument, das Unternehmen Kapital verschafft, ohne Anteile abgeben zu müssen. Sie eignen sich vor allem für Gründer, die unabhängig bleiben wollen, für Mittelständler mit Expansionsplänen und für Projektierer, die Investoren an klar umrissenen Vorhaben beteiligen möchten. Für Anleger bieten sie die Chance, an Projekten außerhalb der Börse teilzunehmen und attraktive Renditen zu erzielen.
Genussrechte sind nicht für jeden geeignet. Anleger müssen Risiken wie den möglichen Totalverlust einkalkulieren und Unternehmen die regulatorischen Anforderungen erfüllen. Eine Win-win-Situation entsteht dann, wenn Unternehmen und Anleger die Bedingungen prüfen und klare Verträge abschließen.
Damit sind Genussrechte eine interessante Option – aber nur dann, wenn Chancen und Risiken realistisch eingeschätzt und die gesetzlichen Vorgaben, insbesondere das VIB, berücksichtigt werden.lorem
